leichtigkeit - die kunst des weglassens

„Um schnell sein zu können, muss man leicht sein, und um leistungsstark zu sein, muss man schnell und leicht sein.“ (Böhm)

 

In der Automobilindustrie gibt es gerade zwei Trends: das Nachhaltigkeitskonzept und der Versuch der Vernetzung mit der Umwelt. Letzteres soll den Menschen Aufgaben abnehmen. So vermögen es neue Autos, elektronisch betrieben oder hoch technologisiert, dem Fahrer Ballast abzunehmen.

 

Die Gespräche der dritten Sensus Veranstaltung zum Thema Leichtigkeit waren durch ein ganz besonderes, praktisches Beispiel geprägt, durch die Leichtbautechnolgie. Das ist die Technologie, die unter anderem in der Automobilindustrie zum Tragen kommt, wenn es um den Bau von elektronisch betriebenen Gefährten geht.

Sicherlich hat das Wort „Leicht“ in dieser Technologie eine physikalische Ursache, allerdings dient es auch schön als Sinnbild: so bedarf es etwas Leichterem um einen Fortschritt zu erzielen.

 

Dieses Erleichtern, um einen Fortschritt zu erzielen, darf wieder ganz praktisch verstanden werden: in jedem Unternehmen, jeder Organisation, und besonders den alteingesessenen, traditionellen, braucht es eine Erleichterung (im wahrsten Sinne des Wortes) um Neues hervorbringen zu können. Das ist ein klarerer Hinweis auf den Zusammenhang von Innovation und Leichtigkeit, es benötigt schlanke Prozesse, wenig Ballast und kräftige, zügige Entscheidungen um Innovationen zu fördern.

„Reagiere auf das was du draußen siehst, generiere daraus eine neue Idee und eine Vision und folge dieser. Entscheide, entscheide auch mal falsch, aber Entscheide!“ (Breitenfeld)

 

 

Innovator ist, wer frei ist im Denken, leicht denkt und gewisse Freiräume (im Unternehmen) hat. 

 

Ein wichtiger Antrieb für schlanke Prozesse in Unternehmen (eigentlich so ein Unwort, aber wenig missverständlich), ist Vertrauen. Das Vertrauen in alle Beteiligten einer Organisation, darauf, dass jeder seinen Job machen wird. So ermutigt man seine Mitarbeiter, man lässt sie etwas Bewegen, Erreichen, Irren und Umkehren, aber so bleiben sie motiviert. Ein Team kann so sehr viel schneller und leichter agieren, als wenn es „Übersteuert“ wird vom Management. Die Erfahrungen der Gäste der Sensus Veranstaltung dazu, sind durchweg positiv. Ein Konsens herrscht über das Potential, dass geweckt werden kann, wenn in Organisationen mehr vertraut wird.

Damit geht auch einher, dass moderne Unternehmen offen werden müssen. Transparente Unternehmenskulturen beflügeln. Sozusagen Informationsgrenzen, Sichtschutze einfach weglassen.

 

 

Noch ein anderer Aspekt kann ein Unternehmen leichter machen: nein zu sagen. Zu Ideen, deren Verfolgung sich nicht lohnt, zu Geschäftsbereichen, die sich nicht rentieren und vielleicht auch zu Produkten, die einfach zu kompliziert sind und die Energie verschwenden, die woanders sinnvoller genutzt wäre. Das sind aber immer schwierige Entscheidungen. Aus dem absoluten Informationsüberfluss muss entschieden werden, was von Bedeutung ist.

Und das ist nicht leicht, weil wir Menschen dazu neigen viel einfacher „ja“ zu sagen, als „nein“ zu sagen. „So hat Leichtigkeit viel mit Disziplin zu tun, weil wir als Menschen eigentlich dazu neigen, immer alles anzuhäufen.“(Böhm)

 

Es ist auch schwierig „nein“ zu sagen, weil wir dann noch kräftiger „ja“ zu etwas Anderem gesagt haben. Und dann müssen wir Verantwortung übernehmen, für das was wir gesagt haben. Da geht der Trend im Moment ein bisschen in eine andere Richtung. Es wird sich viel ausgedacht, aber nicht alles wird umgesetzt. Und wenn wir also Innovation, als ein Ergebnis von Leichtigkeit verstehen, dann ist es im Moment gelegentlich noch Schwierig, wieder etwas Schwere, etwas Qualität in diese Innovationen zu bringen. Man muss nämlich eigentlich auch produzieren, machen und nicht nur denken und entwickeln. Den zweiten Schritt zu gehen, bedeutet Verantwortung zu übernehmen.

 

Bewegen wir uns auf die Ebene des Marktes: Konsumenten haben heute ein Bedürfnis nach Leichtigkeit. In den Wirren der Märkte wünschen sie sich Einfachheit, Weniger. Wer noch mehr Klarheit wünscht, der Kehrt sich möglicherweise sogar ab vom klassischen Konsum. Besitz ist häufig hinderlich, um sich leicht zu fühlen.

 

Um noch einen Schritt weiter raus zu machen, auf die Makroebene: Was bedeutet es denn für eine Gesellschaft leicht zu sein? Dinge wegzulassen?

Wird sie dadurch beweglicher? Transparenter? Weil Beziehungen weniger kompliziert werden? Können Beziehungen überhaupt leichter oder schwerer sein?

 

Eine wichtige Frage, nicht nur für Individuen, sondern auch für Unternehmen ist sicher, wie präzise und wie differenziert kann ich noch sein, wenn ich mich bemühe immer mehr wegzulassen.

Ein Ansatz der Gespräche war es, zu sagen, dass es auch Leichtigkeit bedeutet sehr viel Erfahrung zu haben. Da wiedersprechen sich Leichtigkeit und „weglassen“ möglicherweise, weil gerade durch ein „viel“ an Wissen, Leichtigkeit im Tun und Handeln erreicht werden kann.

 

 

Abschließend sagte Ladurner: „Leichtigkeit ist ein Zustand, kein Ziel. Und Leichtigkeit kann auch Stabilität bedeuten“. Das sind zwei unterschiedliche Aussagen: zum einen bedeutet dies, dass ein stetiger Prozess, bei dem man sich ständig fragt: brauche ich das? Vielleicht sinnstiftend und befreiend ist. Der zweite Teil der Aussage findet sich in vielen Punkten aus den Gesprächen wieder. So zum Beispiel im Beispiel, dass durch immer mehr Erfahrung und Wissen, die Leichtigkeit erreicht wird, souverän zu handeln.

 

Das Gespräch zur dritten Sensus Veranstaltung mag fünf Begriffe hervorgebracht haben, die jeder für sich und Zusammen beschreiben, was die Anwesenden unter Leichtigkeit verstehen:

Freies Denken, Ballast abwerfen, Entscheiden, Vertrauen, Verneinen

 

 

X

Aktuelles

vigilius sensus 2024

07.11.2024
„Die großen Krisen lassen sich nicht politisch lösen“ Markus Gabriel, deutscher Philosoph und Bestseller-Autor, im Gespräch bei vigilius sensus – Diskussionsrunde mit Südtiroler Persönlichkeiten zur Verantwortung des Unternehmer*innentums   Markus Gabriel glaubt an das Gute. Das muss er auch, um seine zentrale These zu stützen, die da wäre: der ethische Kapitalismus sei die Rettung unserer Demokratie. Argumente dafür lieferte der Philosoph kürzlich auf 1500 Metern Höhe, und zwar bei der jüngsten Ausgabe der Veranstaltungsreihe vigilius sensus, zu der das vigilius mountain resort in Zusammenarbeit mit dem Center for Advanced Studies von Eurac Research einlud. Die anschließende Diskussionsrunde mit Sara Canali (SHER Active), Roland Psenner (Eurac Research), Daria Habicher (LIA Collective), Harald Pechlaner (Center for Advanced Studies von Eurac Research) und Ulrich Ladurner (Dr. Schär) beschäftigte sich aus verschiedenen und vor allem kritischen Blickwinkeln mit der Frage nach der Zukunft unseres Wirtschaftssystems.   Lesen Sie mehr hier.

Köpfe

Benedikt Böhm, Hochleistungssportler im Skibergsteigen und Geschäftsführer von DYNAFIT / 1977: als fünfter von sechs Kindern geboren / 1983-1996: Schulzeit in München und Bad Tölz / 1996-1998 Wehrdienst bei den Gebirgsjägern; Skizug in Mittenwald und Murnau. / 1998-2001: Studium: International Management an der Oxford Brookes University in Oxford, England. Abschluss: Bachelor of Science im Juli 2001. / 2000-2001: Austauschsemester an der University of Massachusetts in Amherst, USA / seit 2003: Angestellter bei der Oberalp Group (Marken: Salewa, Dynafit, Pomoca, Wild Country). Internationaler Geschäftsführer der Marken Dynafit & Silvretta. /  Leistungssportler seit dem 11. Lebensjahr (Langlauf beim SC Hochvogel) / Rang 1 bei den Internationalen Militär-Skimeisterschaften in Österreich Januar 1998 / Rang 1 bei den Britischen Universitäts Rudermeisterschaften im Achter in Nottingham März 2000 / Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft Skibergsteigen (2003-2006) / Rang 2 beim weltgrößten Skitourenrennen (Patrouillie des Glaciers) (2008 und 2010) / Speed-Ski-Expeditionen an 8000 Meter hohe Berge 2006, 2007, 2009, 2010, 2012 und 2014.
Dr. Carsten Breitfeld, Chef der Fahrzeugbaureihe i8 der BMW Group.Er studierte Maschinenbau in Hannover. Im Anschluß startete er seine berufliche Laufbahn 1996 bei BMW. Bei BMW hatte er zahlreiche Managementfunktionen und beendete seine Arbeit bei BMW als Vice President, Head of vehicle programmi8. Seit 2016 ist er CEO der Future Mobility Corporation Ltd.
Prof. Dr. Arno Dusini, Philologe, Literaturwissenschaftler und Professor für Neuere Deutsche Literatur am Institut für Germanistik der Universität Wien / Geboren 1962 in Meran, Italien. / Kindheitssommer am Vigiljoch / Studium der Deutschen Philologie, Romanistik und Philosophie an der Universität Wien. / Violoncellostudium, u.a. am Konservatorium der Stadt Wien / 1991: Figdor-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / 1993-1995: Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung: Berlin; mehrfacher Juror beim Meraner Lyrik-Preis / 2003: Research-Fellow am Internationalen Forschungszentrum für Kulturwissenschaften, Wien / seit 2003: Ao. Univ.-Prof. für Neuere deutsche Literatur an der Universität Wien / 2014: Juror bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt / Fachgebiete: Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; Literaraturtheorie und Rhetorikkritik; autobiographische Formen; literarisches Übersetzen.
André Habisch ist Dipl. Volkswirt und Dipl. Theologe und unterrichtet Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Soziale Innovation an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt sowie Christliche Sozialethik an der Theologischen Fakultät in Eichstätt.Er ist wissenschaftlicher Berater des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU) sowie des internationalen Dachverbandes Christlicher Unternehmerverbände UNIAPAC.
Prof. Dr. Harald Pechlaner ist Leiter des Center for Advanced Studies von Eurac Research und Professor für Tourismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie Leiter des dort angesiedelten Zentrums für Entrepreneurship. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der nachhaltigen Destinationsentwicklung sowie ausgewählter Fragen der Global Governance in der Verknüpfung zu Wirtschaft und Politik. Seit 2014 ist er ständiger Forschungsgastprofessor an der Curtin Business School in Perth, Australien sowie Präsident der AIEST (Association Internationale d‘Experts Scientifiques du Tourisme). Pechlaner begleitet das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes in Berlin als wissenschaftlicher Leiter und ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Photo Credits: Tiberio Sorvillo/Eurac Research