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grenzen

„Ich stoße an meine Grenze, heißt ja nur festzustellen, dass der eigene Habitus an eine Grenze stößt. Das ist eine Selbsterkenntnis, keine Grenze. Das Wort Grenze kann helfen, die Welt zu verstehen.“ (Pasing)

 

Was sind Grenzen? Was können Übergänge sein?
Diesen Fragen versuchte sich die fünfte sensus-Veranstaltung zu nähern. Am Anfang standen Beschreibungen, wie die Teilnehmer Grenzen wahrnehmen. Daraus entflammte die Diskussion um tatsächliche Grenzgebiete: den Übertritt ins All, Geschäftsmodellinnovationen, Migration und das größte und emotionalste Thema: das der künstlichen Intelligenz.

 

Grenzen gibt es nicht, Grenzen sind von Menschen gemacht. Die Frage ist also, wie wir Grenzen wahrnehmen. Auf einer Metaebene sollten wir dazu beobachten, welche Grenzen uns durch unsere Wahrnehmung auferlegt sind und wie diese Wahrnehmungsgrenzen die wahrgenommenen Grenzen beeinflussen.
Letztlich ist Grenze ist ja nur ein Wort, welches wir verwenden, um uns etwas Ordnung in der abstrakten Welt zu schaffen.

 

Aus der Perspektive von Architektur ist Grenze wunderbar zu veranschaulichen:
Hier gilt das Gebäude als Grenze zwischen Innen und Außen; mit einem vermittelnden „Grenzraum“, der durchlässig ist für die Umwelt. Diese Grenze ist also nichts Absolutes, sondern eine Schutzhülle für den Menschen. (Pasing)

Verdeutlicht wird dies noch am Bild der Körperzelle. Die Zelle mit ihrem Kern und ihrer Membran. Ohne diese Schutzhaut, die eine Abgrenzung zum Außen konstituiert, könnte keine Zelle bestehen, könnten wir also nicht leben. Biologisch betrachtet sind Abgrenzungsprozesse, wie auch Zellteilungsprozesse, lebensnotwendig. Sind Grenzen also wichtig?

 

Übertragen auf den unternehmerischen Kontext ist eine Beschreibung von Innen und Außen ebenfalls nicht neu. Eine Organisation definiert stets ihr Innen und Außen. Ein Hinaustreten aus dem Innen ins Außen, um hier ein neues Innen zu schaffen, das wiederum mit der ursprünglichen Organisation interagieren soll, ist eine gängige Vorstellung von Innovation. Ein autonomes Neues zu schaffen, das beweglicher ist, Spielintelligenz entwickelt, den nächsten Schritt schon im Voraus erkennt – darum geht es. Gewissermaßen muss man also Grenzen vorausdenken, um sie zu überwinden, bevor sie überhaupt wahrgenommen werden. Wenn man als Unternehmen auf Kundenwünsche reagiert, dann ist man schon zu spät. Man muss vorher herausfinden, was die Menschen bewegt, bevor die Kundenwünsche entstehen.
Innovation bedeutet also, Grenzen zu überwinden. Auch Grenzen der Disziplinen. Nicht nur wissenschaftliche Vielfalt, ganz grundsätzlich trägt Diversität zu Innovation bei.

 

Der Weltraum zeigt uns Menschen eine definitive Grenze auf: Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, woanders zu sein. Aber wenn er woanders ist, dann nimmt er seine eigenen Grenzen mit. So tragen wir nationale Grenzen ins All.

 

„Momentan nehmen wir die irdischen Grenzen mit in die eigentliche Grenzenlosigkeit des Alls. Weil wir es nicht anders können.“ (Klauk)

 
Durch Wissenschaft, Forschung, Innovation, einfach neues Tun, versuchen wir, Grenzen abzubauen und zu überwinden. Gibt es dafür eine Grenze? Also eine Grenze für die Überwindung von Grenzen? Wie weit wollen wir uns denn ent-grenzen, wie viele Grenzen ist die Menschheit bereit zu überwinden?

 

Künstliche Intelligenz führt uns an eine als solche (wahrgenommene) Grenze der Überwindung von Grenzen.
Wir fragen uns, wie wir mit diesen Entwicklungen umgehen sollen. Welche rechtlichen Regelungen wollen wir für den Umgang mit Robotern, welche politischen Rahmenbedingungen möchten wir auf diesem Terrain? Wieder wollen wir Grenzen einführen. Hier entsteht eine Parallele zu unserem Umgang mit dem Weltall: Auch in diesen unbekannten Raum nehmen wir Menschen unsere bekannten Grenzen mit.

 

Besonders die Angst vor der Ersetzbarkeit der menschlichen Arbeit scheint uns umzutreiben, wenn wir an künstliche Intelligenz denken. Es interessiert, ob wir dann gar nicht mehr arbeiten oder uns nur noch denkenden Tätigkeiten hingeben. Der konkreten Frage nach zukunftsfähiger Arbeit wurde im Umkehrschluss begegnet: Welche Arbeiten sind zuverlässig und einfach durch eine Rechenmaschine ersetzbar? Anschließend fragt man, was ein menschliches Individuum gemeinsam mit der Maschine schaffen kann. Unternehmertum wird fortbestehen, denn unter der Annahme, dass viele Menschen eine neue Beschäftigung brauchen, lassen sich viele neue Unternehmungen formen.

 

Vielleicht müssen wir aber auch keine Grenzen einführen, sondern es wird systemische Grenzen geben. Ladurner betont, dass die voranschreitende Automatisierung und Digitalisierung in unserem bestehenden Gesellschaftssystem an natürliche Grenzen stoßen wird. Eine so überproportionale Produktionssteigerung mit der Folge, dass die Hälfte der Beschäftigten keine Arbeit mehr hat, kann systemisch nicht abgebildet werden. Wer wird dann unser Gesellschaftssystem tragen? Wer bezahlt dann Steuern?

Die Hyperproduktivität in der Industrie anzustreben, ist das eine, die Frage nach dem Absatz eine andere. Wer kauft denn immer mehr von allem, und vor allem von welchem Geld, wenn die Mehrheit der heute Beschäftigten kein Einkommen mehr hat?
Woher werden die Nichtarbeitenden dann ein Einkommen beziehen? Weichen Sie auf ein Tauschsystem nach altem Vorbild aus?

„Die Digitalisierung kann eben auch nicht als das Nonplusultra der Problemlösung gesehen werden.“ (Ladurner)

 

Grenzen, ob systemischen Ursprungs oder von Menschen gemacht, geben uns das Gefühl der Kontrolle. Kontrollverlust mögen wir nicht, und den befürchten wir im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz.

 

Kontrollverlust erleben wir aktuell auch an den europäischen Grenzen und im europäischen Raum. Alle Themen rund um Flucht und Migration haben mit Grenzen, dem Überwinden von Grenzen und dem Stehen vor neuen Grenzen zu tun. Das alles lähmt uns wie auch die Fliehenden. Aber statt dass die europäische Gesellschaft versteht, welche Chance sich darin verbirgt, dass so viele Menschen ihre Landesgrenzen hinter sich lassen, um zu uns zu kommen, verhilft dies nur der Politik der Abgrenzung zu großer Wahlzustimmung.

Daraus ergibt sich ein wichtiges Aufgabenfeld für die nächsten Jahre: Wenn wir Veränderung im großen Stil, hinweg über bequeme Grenzen, aufgrund von ganz neuen Erkenntnissen möchten, dann müssen wir die Weltgesellschaft darauf vorbereiten. Der Mensch ist nicht per se Neuem aufgeschlossen. Der Mensch mag seine Grenzen. In der Wissenschaft mag Grenzenlosigkeit positiv und Begrenztheit negativ sein; für einen Großteil der Bevölkerung gilt das genau umgekehrt.

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Aktuelles

vigilius sensus 2023

20.11.2023
Am 20.11.2023 findet im vigilius mountain resort die Veranstaltung vigilius sensus zum Thema „Risikokultur - Kompetenzen für die Welt von morgen" statt.   Die Veranstaltung 2023 widmet sich dem Thema „Risikokultur“. Egal ob Alltag, Beruf, Gesundheit oder Finanzen, wir müssen mit Risiken und Ungewissheiten leben, auch weil diese nicht immer berechenbar sind und Gewissheit ohnehin die Ausnahme darstellt. Die vielen Krisen unserer Zeit haben Einfluss auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik und verursachen Unsicherheiten und Unbehagen. Aber wie können wir Kompetenzen entwickeln und welche Strategien helfen uns trotz Unsicherheit bessere Entscheidungen zu treffen? Welche Fehlerquellen gilt es bei Risikoberechnungen zu beachten, um einer Fremdbestimmung zu entgehen und wann helfen Faustregeln und Intuition? Oft führen einfache Regeln zu besseren Ergebnissen als komplizierte Berechnungen: Grundwissen in statistischem Denken und psychologischen Mechanismen könnten uns dabei oft vor Unheil bewahren. Und auch bei Rückschlägen können wir durch Krisenbewältigung und Neuanfang lernen gestärkt hervorzugehen.   Keynote: Gerd Gigerenzer, weltweit renommierter Psychologe, Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Direktor des Harding Zentrums für Risikokompetenz.   Ticket erhältlich unter info@vigilius.it, 75,00 € p.P. inklusive Aperitif, 3 Gang Dinner mit ausgewählten Getränken, Seilbahnticket der Vigiljoch Seilbahn    

Köpfe

Jan Klauck befasst sich mit dem industriellen Einsatz und den gesellschaftlichen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz und Robotik.Sein eigenes Anwendungsgebiet ist die private Raumfahrt. Er leitet das Berliner Büro des Österreichischen Weltraum Forums, bereitet den Raketenstart zum Mond für das Berliner Raumfahrtunternehmen Part-Time Scientists für 2017 vor und beschäftigt sich mit Technologien für die Mars-Kolonisation, die wieder auf dem Programm staatlicher und nun auch privater Akteure steht. Das in Gründung befindliche Berlin Exponential Institute soll Bedingungen und Folgen neuer Technologien untersuchen und Maßnahmen zu ihrer Integration in die Gesellschaft erstellen.
Ulrich Ladurner wurde am 18.11.1949 in Meran geboren. 1980 gründete er den Großhandelsbetrieb Dr. Schär GmbH mit Spezialisierung auf glutenfreie Produkte für Zöliakie-Betroffene. 1995 wurde bei Meran die erste Fabrik der Dr. Schär gebaut, die für Ulrich Ladurner eine große Herausforderung darstellte. Aus dem anfänglichen Zwei-Mann-Betrieb entstand ein Unternehmen, welches heute über 1000 Mitarbeiter weltweit zählt und im Jahr 2014 einem Umsatz von 260 Millionen Euro erzielte.Zur Jahrtausendwende hatte Ulrich Ladurner den Eindruck, als konzentriere er sich zu viel auf Standards und Marktquoten. Als Folge stellte er sich wieder einer großen Herausforderung und widmete sich einer zukunftsträchtigen Vision: Bereits im Frühjahr 2001 stand Ulrich Ladurner erstmals mit dem Architekten Matteo Thun vor dem fast verfallenen Berghotel Vigiljoch, das einst als attraktives Urlaubsziel weit über Italiens Grenzen hinaus bekannt war. „Alles oder nichts?“ war die Frage, die sich die beiden stellten. Die Antwort lautete: „Alles neu, mit der Natur zum Vorbild und der Ruhe als Ziel, mit konsequenter Umsetzung und dem Blick nach vorne gerichtet.“ Das exklusive vigilius mountain resort wurde schnell zum Modell für eine neue Art des „Ökologischen Luxus“.Mit der 2012 erstmals durchgeführten sensus Veranstaltung „Sehnsucht als Perspektive des Wertewandels“ kam Ulrich Ladurner seinem Bedürfnis nach, Impulse zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu schaffen. Teilnehmer sind regelmäßig Wissenschaftler, Schriftsteller, Journalisten sowie viele weitere, mit dem spezifischen Thema der Veranstaltung verbundene Persönlichkeiten. Heute, im Jahre 2016, findet bereits die fünfte sensus Veranstaltung statt.
Kurt Matzler ist Professor für Betriebswirtschaft an der Freien Universität Bozen, Gastprofessor an der Universität Innsbruck und wissenschaftlicher Leiter des Executive MBA-Programmes am MCI in Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Strategie und Innovation, Leadership und M&A. Kurt Matzler hatte Gastprofessuren bzw. Forschungsaufenthalte an der Wharton School, University of Pennsylvania, Fairfield University Connecticut, Southeast Missouri State University, Bocconi Universität Mailand. Zum Zeitpunkt seiner ersten Berufung an die Universität Klagenfurt (2003) war Kurt Matzler im Alter von 34 Jahren der drittjüngste Professor für Betriebswirtschaft im gesamten deutschsprachigen Raum. Er ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Artikeln und mehreren Büchern, darunter Ko-Autor der deutschen Ausgabe des Innovator’s Dilemma, einem der sechs wichtigsten Managementbücher überhaupt (Economist). Sein neuestes Buch mit dem Titel „Digital Disruption“ erscheint im Oktober 2017. Google Scholar listet Kurt Matzler unter die Top 20 Strategieprofessoren Europas und unter die Top 50 der Welt. Als Partner von IMP (www.imp.at), einem internationalen Consulting-Unternehmen, ist er eng mit der Praxis verbunden.
Dino Dario Monopoli ist - auch dank Herbert Hainers Weitsicht, Gründer und Geschäftsführer der adidas anticipation GmbH mit Sitz in München. Die Aufgabe dieser 100%igen Tochter der adidas AG ist es, frühzeitig Geschäftsmodelle der Zukunft zu erkunden und für die gesamte adidas Gruppe nutzbar zu machen.Seit mehr als 10 Jahren ist er mit den weltbekannten drei Streifen aus dem beschaulichen Herzogenaurach verbunden. Von seiner Geburt in Winterthur an, ist der in Deutschland aufgewachsene Emigrant als ständiger Grenzgänger im Weder-Noch zu Hause. Von 2008 bis 2012 war er als Repräsentant der adidas AG zum Aufbau eines Joint-Ventures in Israel tätig.Die Grenzen des Wachstums vom Club of Rome führten ihn zur Universität Maastricht, wo er International Economics studierte, die Einführung des Euro erlebte, und seine Frau kennenlernte. Dino Dario Monopoli ist Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie in München.
Anton Markus Pasing ist Professor für “Entwerfen und Typologie der Bauformen sowie deren Darstellungen” an der Hochschule Düsseldorf, Peter Behrens School of Arts. Zudem war er von 2006 bis 2016 Professor an der Texas A&M University, Department for “Visual Studies“ in den USA. Er ist diplomierter Architekt und „Meisterschüler” von Prof. O.M. Ungers an der Kunstakademie Düsseldorf. Seit 1994 betreibt Anton Markus Pasing das Büro “remote-controlled: studio for spaceencompassing artistic research“ in Münster. Von 2000 bis 2002 war er als Illustrator für die Wochenzeitung „Die Zeit“ tätig. Neben internationalen Vorträgen und Publikationen beteiligte sich Anton Markus Pasing seit 1996 an zahlreichen Ausstellungen, u.a.: Biennale Venedig, Niederländisches Architektur Institut (NAI), Gallerie Aedes East Berlin, Neue Sammlung München, Gallerie A.A.M. Rom, Dortmunder Kunstverein, Architectural Institute of Korea, Busan, Elisabeth Montag Stiftung Bonn.
Prof. Dr. Harald Pechlaner ist Leiter des Center for Advanced Studies von Eurac Research und Professor für Tourismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie Leiter des dort angesiedelten Zentrums für Entrepreneurship. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der nachhaltigen Destinationsentwicklung sowie ausgewählter Fragen der Global Governance in der Verknüpfung zu Wirtschaft und Politik. Seit 2014 ist er ständiger Forschungsgastprofessor an der Curtin Business School in Perth, Australien sowie Präsident der AIEST (Association Internationale d‘Experts Scientifiques du Tourisme). Pechlaner begleitet das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes in Berlin als wissenschaftlicher Leiter und ist Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Photo Credits: Tiberio Sorvillo/Eurac Research